Gleim300 - Scherz

Scherzhafte
Lieder

Anakreon

Anakreon, mein Lehrer, Singt nur von Wein und Liebe;
Er salbt den Bart mit Salben, Und singt von Wein und Liebe;
Er krönt sein Haupt mit Rosen, Und singt von Wein und Liebe;
Er paaret sich im Garten, Und singt von Wein und Liebe;
Er wird beim Trunk ein König, Und singt von Wein und Liebe;
Er spielt mit seinen Göttern, Er lacht mit seinen Freunden,
Vertreibt sich Gram und Sorgen, Verschmäht den reichen Pöbel,
Verwirft das Lob der Helden, Und singt von Wein und Liebe;
Soll denn sein treuer Schüler Von Haß und Wasser singen?

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)


Der Rangstreit

Was wilst du? sprach mein Mädchen,
Ich sprach: Ich will dich küssen.
Da that das Mädchen böse,
Und sprach: Laß mich erst küssen!
Da zankten wir uns beide.
Da nannt es mich: Du Falscher!
Und sprach: Ich liebe stärker,
Drum muß ich dich erst küssen.
Da hört ich auf zu zanken.
Da küßte mich mein Mädchen.
Da merkt ich, als es küßte,
Es sei kein Rang im Küssen;
Denn, wenn sich zweene küssen,
Ist ieglicher der Erste.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)

 

Johann Joachim Kaendler, Porzellan-Manufaktur Meißen: Sich küssendes Paar mit Vogelbauer, 1736 (Ausschnitt), Sammlung Prof. Goepfert, Düsseldorf (Foto Christoph Münstermann, Düsseldorf)
Johann Joachim Kaendler, Porzellan-Manufaktur Meißen: Sich küssendes Paar mit Vogelbauer, 1736 (Ausschnitt), Sammlung Prof. Goepfert, Düsseldorf (Foto Christoph Münstermann, Düsseldorf)

Seufzer eines Kranken.

Mir Armen, den des Fiebers Kraft
Fast nöthigt in das Grab zu sinken,
Verbeut der Arzt den Rebensaft,
Und heißt mich Wasser trinken.
Ihr Götter, steht mir Armen bey!
Schafft, daß der Wein nicht tödtlich sey,
Wie? oder laßt Gesundheit zu erwecken,
Das Wasser besser schmecken. 

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)


Fragment eines Gesprächs.

G. So sind die Mädchen, wie ihr meint,
Denn keine Menschen?
W. Nein, mein Freund.
G. Was sind die denn, Herr Mädchenkenner?
W. Lebend’ge Puppen für die Männer.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)

 

Stockgriff mit Damenbüste, Porzellan-Manufaktur Ludwigsburg, um 1765, Daniela Kumpf, Wiesbaden (Foto Ursula Seitz, Frankfurt/M)
Stockgriff mit Damenbüste, Porzellan-Manufaktur Ludwigsburg, um 1765, Daniela Kumpf, Wiesbaden (Foto Ursula Seitz, Frankfurt/M)

Der Kuß *

Ich war bey Chloen ganz allein,
Und küssen wollt ich sie:
Jedoch sie sprach: sie würde schreyn,
Es sey vergebne Müh! 

Doch wagt ich es, und küßte sie,
Wie oft? fällt mir nicht ein!
Und schrie sie nicht? Ja wohl, sie schrie – –
Doch lange hinter drein. 

(Christian Felix Weiße)


Niklas

Mein Esel sicherlich
Muß klüger seyn, als ich.
Ja, klüger muß er seyn!
Er fand sich selbst in Stall hinein,
Und kam doch von der Tränke.
Man denke! 

(Gotthold Ephraim Lessing)


Nachricht

Nun, da es Gleim im Scherz geschrieben,
Daß alle Mädchen Puppen wären;
Hält mancher uns im Ernst für Puppen,
Als wären wir für ihn gedrechselt.
Doch wißt, ihr stolzen Mädchenkenner,
Ihr kleinen Zwecke kleiner Puppen!
Als die Natur uns euch bestimmte,
Damit ihr mit uns spielen möchtet;
Sah sie euch an als kleine Kinder,
Die noch nicht unterscheiden können.

(Johanne Charlotte Unzer)

 

Paul August Schrader: Scherze. Helmstädt und Leipzig, 1762, Gleimhaus (Foto: Thomas Peters)
Paul August Schrader: Scherze. Helmstädt und Leipzig, 1762, Gleimhaus (Foto: Thomas Peters)

An die Sonne

Sonne, brich doch durch die Wolken!
Laß uns doch den hellen Himmel
Laß uns deine Strahlen sehen!
Haben denn die dikken Dünste
Dich nicht lang genug verdunkelt?
Hat es nicht genug geregnet?
Sieh, die Fluren stehn voll Wasser,
Und es ist für deine Stralen,
Viel zu trokknen, viel zu trinken!
Sonne, laß die düstern Wolken
Schnell vor deinen Stralen fliehen;
Aber, wenn sie, statt des Wassers,
Wein herunter schütten wollen,
Solchen Wein, wie ich itzt trinke,*
O so laß die Wolken regnen!
 
* Champagner.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)


An Herrn ***

Ich trink, ich lieb, ich lache,
Indem ihr euch, ihr Helden,
Die Köpfe spaltet.
Ich trink, ich lieb, ich lache,
Indem, du müder Geitzhals,
Für Arbeit schwitzest.
Ich trink, ich lieb, ich lache,
Indem sich Herrenhuter
Zu Tode beten.
Ich trink, ich lieb, ich lache,
Ich singe frohe Lieder,
Wann Priester schimpfen.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)


Befehl an die Erben.

Es lassen sich die todten Fürsten balsamiren,
Um desto länger todt zu seyn;
Mich soll man nicht im Tode balsamiren,
Ich balsamire mich mit WeinIm Leben ein,
Um desto länger lebendig zu seyn.

(Johann Wilhelm Ludwig Gleim)


Die Haselsträuche

Heil sey euch, sichern Haselsträuchen,
Wie lieben euch die Schäfer nicht!
In eure Schatten seh ich manchen Hirten schleichen
Mit seiner Schäferin, so bald die Sonne sticht:
Es muß des Schatten wegens seyn;
Denn warum schlichen sie hinein?
 
Heil euch, fruchtbaren Haselsträuchen!
Auch wenn die Sonne nicht mehr sticht,
Im Herbst seh ich sehr oft den Schäfer zu euch schleichen
Mit seiner Schäferin; des Schattens wegen nicht?
Es muß der Nüsse wegen seyn:
Denn warum schlichen sie hinein?

(Christian Felix Weiße)

 

Christian Wilhelm Ernst Dietrich: Im Spiegel der Venus, 1740, Härtl Kunsthandel Bamberg/Hemhofen
Christian Wilhelm Ernst Dietrich: Im Spiegel der Venus, 1740, Härtl Kunsthandel Bamberg/Hemhofen

Die Gewißheit

Ob ich morgen leben werde,
Weiß ich freylich nicht:
Aber, wenn ich morgen lebe,
Daß ich morgen trinken werde,
Weiß ich ganz gewiß. 

(Gotthold Ephraim Lessing)


Der Fehler

Angelika ist jung und reich.
An Schönheit meiner Phyllis gleich.
Ich kann nichts schöners nennen;
Das wissen die, die Phyllis kennen.
Sie redet ungezwungen rein;
Sie scherzt empfindlich und doch fein;
Ihr biegsam redlich Herze fühlt;
Sie tanzt, sie singt, sie spielt.
Wenn meine Phyllis untreu wird — — —
O werde sie es nie!
Wenn sie es aber wird,
So lieb ich keine sonst als sie.
Doch — — hab ichs auch bedacht?
Nein, einen Fehler tref ich an,
Der alles nichtig macht.
Sie liebet ihren Mann. 

(Gotthold Ephraim Lessing)


Der Neid

Der Neid, o Kind,
Zählt unsre Küsse:
Drum küß geschwind
Ein Tausend Küsse;
Geschwind du mich,
Geschwind ich dich!
Geschwind, geschwind,
O Laura, küsse
Manch Tausend
Küsse:Damit er sich
Verzählen müsse,
Der ungeküßte Neid! 

(Gotthold Ephraim Lessing)


Die Antwort des trunkenen Dichters

Ich spielte jüngst den Sittenrichter;
Gewiß ein schweres Spiel;
Und sprach zu einem trunknenn Dichter:
Hör auf! du trinkst zu viel.
Schon fertig untern Tisch zu sinken,
Sprach der: du bist nicht klug.
Zu viel kan man wohl trinken,
Doch nie trinkt man genug.


Die Stärke des Weins

Wein ist stärker als das Wasser:
Dies gestehn auch seine Hasser.
Wasser reißt wohl Eichen um,
Und hat Häuser umgerissen:
Und doch wundert sich Hans Dumm,
Daß der Wein mich umgerissen?

(Gotthold Ephraim Lessing)